Ken Wilber

 

 

 

 

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Grenzen des Verstandes

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"Die Innerlichkeit spiritueller Erfahrungen kann nicht analysiert werden, ohne sich in logische Widersprüche zu verstricken."

 

– Ken Wilber

 

Es gibt sehr viele „Dinge“, die nicht analysiert werden können: Die bedingungslose Liebe ist dafür ein Beispiel.

 

Alles, was größer ist als der Verstand, kann nicht mit ihm, also auch nicht mit der Logik – auf welche Weise auch immer – angegangen werden.

 

Die Logik...

ist ein Instrument des intellektuellen Teils des Verstandes.

 

Elemente der Logik:

  • Bestätigung & Widerspruch

  • Folgerichtigkeit
  • Systematisieren
  • Objektivieren
  • Analysieren

 

Wir müssen realisieren, daß die Welt jenseits des Verstandes (mit seiner Tendenz zur Einordnung) zwar nicht aufhört, diese aber nicht objektiviert werden kann.

 

Wenn wir die Vertikale auf der Horizontalen erklären wollen, tauchen scheinbar „logische Widersprüche“ auf, da das Größere („System“) nicht durch das Kleinere verstanden werden kann.

 

Im Spirituellen sind Widerspruch & Einverständnis irrelevant. Hier hat der Verstand mit seinen begrenzten Möglichkeiten keinen Zutritt, kurz:

 

Spirituelles...

geht den Verstand nichts an. 🌻

 

Um das verstehen zu können, braucht es einen Abstand zum Verstand in der Art, wie wir ihn auch zum Computer haben, wenn wir ihn gebrauchen.

 

Er hat nun mal ein sehr eng begrenztes Aufgabengebiet. Wenn wir es intelligent anstellen, werden wir vom Verstand nicht mehr verlangen, als er von seiner Natur her zu leisten imstande ist.

 

 

 

 

Zitate des Ken Wilber

 

 

All das Gute und all das Böse, das Beste und das Schlechteste, das Aufrechte und das Verkommene – alles und jedes ist – genau so, wie es ist -, eine überaus vollkommene Manifestation des GEISTES. Es gibt nichts als Gott, nichts als die Gottheit, nichts als den GEIST in allen Richtungen, und kein Sandkörnchen ist mehr oder weniger GEIST als alles andere.

 

Das Ego verbringt überdies soviel Zeit mit der Jagd nach künftigem Glück, daß ihm das Rennen schließlich zum Selbstzweck wird. Hier beginnen wir, die Suche nach Glück mit dem Glück selbst zu verwechseln. Dann sind wir zu nichts anderem mehr fähig, als weiter zu suchen und zu rennen, und sollte das künftige Glück dann tatsächlich auftauchen, können wir nicht mehr anhalten und rennen vorbei. Wir leben nie ganz in der Gegenwart und ruhen nie zufrieden in uns selbst. Wer sich aber der Gegenwart nicht erfreuen kann, der wird sich auch der Zukunft nicht erfreuen können, wenn sie Gegenwart wird.

 

Denken Sie an die Vergangenheit - das ist ein Akt der Gegenwart; denken Sie an die Zukunft - das ist ein Akt der Gegenwart. Alle Anzeichen einer Vergangenheit existieren nur in der Gegenwart, und jeder Grund, an eine Zukunft zu glauben, existiert ebenfalls nur in der Gegenwart. Als die wirkliche Vergangenheit sich ereignete, war sie nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart, und wenn die wirkliche Zukunft da ist, wird sie nicht Zukunft sein, sondern Gegenwart. Die einzige Zeit, deren wir jemals gewahr sein können, ist dieser gegenwärtige Augenblick mit seinen Erinnerungen und Erwartungen.

 

Der Zeuge ist eine sehr hohe und unbedingt notwendige Entwicklungsstufe, aber nicht die letzte. Wenn der Zeuge - die Seele - transzendiert wird, geht er in all dem auf, dessen Zeuge er bisher war. Die Subjekt/ Objekt-Dualität verschwindet, und übrig bleibt reines, nichtduales Gewahrsein.

 

Die grosse Suche, die Gott zu lieben behauptet, ist in Wirklichkeit jener Mechanismus, durch den man Gott von sich wegschiebt, durch den man morgen zu finden hofft, was nur im zeitlosen Nun existiert, durch den man den Blick mit solcher Inbrunst auf die Zukunft richtet, dass die Gegenwart stets an einem vorübereilt, und Gottes lächelndes Antlitz mit ihr.

 

Die Naturprozesse sind spirituelle Prozesse. Sie streben nach spiritueller Erweckung, weil sie objektiver GEIST sind, der nach seiner Selbstverwirklichung strebt (Eros).

 

Die üblichen Einwände gegen die kontemplativen Wissenschaften sind nicht sehr überzeugend. Der häufigste Einwand ist der, daß mystische Zustände privater oder innerer Natur, also «rein subjektiv» und daher nicht öffentlich verifizierbar oder falsifizierbar seien. Das ist ganz einfach falsch; oder wenn es zutrifft, dann gilt es für alle nicht-empirischen Wissenschaften, von der Mathematik über Literatur- und Sprachwissenschaft bis hin zur Psychoanalyse und Geschichtswissenschaft. Niemand hat «da draußen in der sinnlich wahrnehmbaren Welt» je die Quadratwurzel aus minus eins gesehen.

 

Die wichtigste Transformation oder Transzendenz besteht jedoch in der wachsenden Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, also nicht bloß einzusehen, daß andere die Dinge anders sehen, sondern deren Perspektive tatsächlich innerlich rekonstruieren zu können, in ihre Haut zu schlüpfen.

 

Die Wörter selbst sind nicht die Dinge, auf die sie verweisen (sofern das Wort überhaupt auf etwas Reales verweist; viele Wörter verweisen lediglich auf andere Wörter). Daher ist das Wort „Himmel“ selbst nicht blau, und das Wort „Wasser“ löscht den Durst nicht. Unsere Wörter, und mit ihnen unsere Ideen, Begriffe und Theorien sind nur Karten der tatsächlichen Welt.

 

Es muss etwas im eigenen gegenwärtigen Gewahren geben, das die ganze Wahrheit enthält. Irgendwie ist man, in welchem Zustand man sich auch immer befindet, ganz in alles eingetaucht, was man für die vollkommene Erleuchtung braucht. Man blickt genau auf die Antwort hin.

 

Ethisches Verhalten wird dich nicht zur Erleuchtung bringen. Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: ethisches Verhalten ist dualistisch. Es verlangt von dir, dieses zu tun und jenes zu unterlassen. Verhalte dich gut - und nicht schlecht, praktiziere dies – und nicht jenes - und das sperrt dich in eine dualistische Weltsicht ein. Die Traditionen verwenden oft eine Analogie, welche allgemein besagt, dass Erleuchtung - oder satori – das Erwachen aus einem Traum ist. Ethik sorgt dafür, dass aus dem Traum kein Albtraum wird: Mit Ethik kann man ein relativ glückliches und gesundes Leben in der Traumwelt leben. Und das lohnt sich! [😃].

 

Grenzen sind den Menschen des Ostens nie so zu Kopf gestiegen, dass die Köpfe einen anderen Weg einschlugen als die Natur. Der Osten erkannte, dass die Realität nicht-dual, nicht-zwei ist, und erkannte damit auch, dass alle Grenzen illusorisch sind.

 

Ich fürchte, die Natur ist nicht nur gescheiter, als wir denken, die Natur ist gescheiter als wir denken können. Die Natur hat schliesslich das menschliche Gehirn hervorgebracht, von dem wir uns schmeichelnd sagen, es sei eines der intelligentesten Werkzeuge im Kosmos.

 

Jedem Bewusstseinszustand (und das gilt auch für alle meditativen Zustände) entspricht zum Beispiel ein bestimmter Gehirnzustand - beide treten gleichzeitig auf als gleichermaßen reale Dimensionen ein und derselben Begebenheit, die wir nicht aufeinander reduzieren können.

 

Je mehr man also nach innen gehen kann, je introspektiver und selbstreflexiver man wird, desto mehr vermag man sich vom Ich zu lösen und über dessen begrenzten Horizont zu erheben und desto weniger narzißtisch oder egozentrisch - desto dezentrierter - wird man.

 

Man möchte von dem Ort, an dem der GEIST nicht ist, an den Ort gelangen, an dem der GEIST ist. Aber es gibt keinen Ort, an dem der GEIST nicht ist. Der GEIST ist an jeder Stelle des Kosmos  gleichermaßen und ohne Einschränkung. Alles Suchen, alle Bewegung, alles Streben ist zutiefst zwecklos. Die große Suche verstärkt lediglich den großen Irrtum, dass an irgendeinem Ort der GEIST nicht wäre und dass man von dort, wo er nicht ist, dorthin gelangen müsse, wo er ist. Aber es gibt keinen Ort, an dem weniger, und keinen Ort, an dem mehr GEIST wäre. Es gibt nur GEIST.

 

Meditation ist nicht, wie etwa die Psychoanalyse, eine Aufdeckungstechnik. Es geht hier nicht in erster Linie darum, die Verdrängungsschranke zu heben und den Schatten ans Licht zu bringen. Das kann geschehen, aber es kann auch ausbleiben. Das Hauptziel ist vielmehr, das ego-zentrierte Geschehen überhaupt zu suspendieren, damit das ego-überschreitende oder transpersonale Bewußtsein sich bilden kann und schließlich der Zeuge, das Selbst, entdeckt wird.

 

Nur aus einer globalen, postkonventionellen, weltzentrischen Einstellung kann man die tatsächlichen Dimensionen der Umweltkrise erkennen und, was noch wichtiger ist, die moralische Vision und moralische Kraft zu einer globalen Vorgehensweise aufbringen. Es müssen also eine signifikante Zahl von Menschen eine postkonventionelle und weltzentrische Entwicklungsstufe erreichen, damit ihre Stimme weltweit Gewicht bekommt. Nur dann, wenn man wirklich etwas gegen die kulturelle Kluft unternimmt, kann man auch wirkungsvoll etwas gegen die ökologische Krise unternehmen. Es ist dieselbe Kluft, dasselbe Problem.

 

Oberflächen kann man sehen

während man Tiefen deuten muß.

 

Persönliches Wachstum bedeutet eine Ausdehnung und Erweiterung des eigenen Blickfelds, ein Weiterwerden der eigenen Grenzen – nach Aussen in Bezug auf den Weitblick, nach Innen in Bezug auf die Tiefe.

 

Spiritualität hat mit tatsächlicher Erfahrung zu tun, nicht mit bloßen Glaubensinhalten; mit Gott als dem Grund des Seins, nicht mit einer kosmischen Vaterfigur; mit dem Erwachen zum wahren Selbst, nicht mit Gebeten für das kleine Ich; mit Bewußtseinsschulung, nicht mit weihevollem Moralisieren über Unzucht und Völlerei; mit dem Geist, der in jedem Herzen zu finden ist, nicht mit etwas, das in dieser oder jener Kirche getan wird.

 

Transzendenz stellt den Humor wieder her. Der GEIST macht lächeln. Plötzlich kehrt das Lachen zurück. Zu viele Vertreter allzu vieler Bewegungen, selbst sehr guter Bewegungen wie Feminismus, Ökologie und spirituelle Wissenschaften, scheinen überhaupt keinen Humor zu haben.

 

Und wie alle nicht-dualen Weisen überall auf der Welt stießen auch die Idealisten auf das Unerhörte und völlig paradox erscheinende Geheimnis, daß die endgültige Befreiung und Erlösung immer schon erreicht ist [...]. So sagt auch Hegel, daß das absolut Gute sich in der Welt allezeit selbst verwirklicht: Es braucht nicht auf uns zu warten, sondern ist bereits in seiner vollen Gänze erreicht.

Wenn man spirituelles Bewußtsein nur als ein höheres Selbst interpretiert, dann ignoriert man Gott in den anderen Quadranten; man ignoriert den Elefanten oder glaubt, daß er nicht wirklich oder wichtig sei, man ignoriert die kulturellen, gesellschaftlichen und verhaltensmäßigen Aufgaben, die in diesen Bereichen unbedingt durchgeführt werden müssen, um den GEIST, der man ist, ganz zum Ausdruck zu bringen. Wenn man sich aber darüber hinwegsetzt, wird man früher oder später von irgendeinem Elefanten plattgewalzt.

Wenn wir alle ein und dasselbe Selbst, ein und derselbe Körper Christi, ein und derselbe Dharmakaya sind, dann diene ich meinem Selbst, indem ich anderen diene. Als Christus sagte: «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst», muss er wohl gemeint haben: «Liebe deinen Nächsten als dein Selbst.»

 

Westliche Psychotherapien versuchen das individuelle “Ich” zusammenzuflicken, während die östlichen Ansätze darauf abzielen, es zu transzendieren.

 

Wenn das Ich-Empfinden stirbt, ist das, was sich auflöst, kein wirkliches Sein, sondern lediglich eine  Grenze, die nicht wirklich bestand, die stets eingebildet war. Hat jedoch ein Mensch die Illusion des Ich und dessen Grenzen aufgebaut, so fürchtet er nichts mehr als dessen Auflösung und strebt daher nach symbolischer Unsterblichkeit

 

Wir sehen nicht, dass der GEIST hier und jetzt voll und ganz gegenwärtig ist, weil unser Gewahrsein durch Vermeidungstendenzen getrübt ist. Wir wollen nicht entscheidungslos die Gegenwart gewahren; wir wollen vielmehr vor ihr davonlaufen, oder ihr nachlaufen, oder wir möchten sie ändern, sie hassen, sie lieben, sie verabscheuen oder irgend etwas unternehmen, um in sie hinein oder aus ihr hinaus zu gelangen. Wir tun alles Mögliche, nur nicht in der reinen Gegenwart des Gegenwärtigen verweilen.

 

Wir würden unsere positiven Seiten nie erkennen, wenn wir keine negativen besässen. Beides zusammen ist wie eine  schöne Gebirgslandschaft. Ohne Berge keine Täler, ohne Täler keine Berge. Wer in seiner Verblendung die Täler verschwinden lassen möchte, muss auch die Berge einebnen.

– Ken Wilber