Alexander von Humboldt

 

Am Kiessee (Jami)
Am Kiessee (Jami)

 

 

 

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Geistige Näherung

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"Die Natur muß gefühlt werden, wer sie nur sieht und abstrahiert, kann (…) Pflanzen und Tiere zergliedern, er wird die Natur zu beschreiben wissen, ihr aber selbst ewig fremd sein." (1810 an Goethe)

 

– Alexander Freiherr von Humboldt

 

Kleine Kinder (und Wissenschaftler) machen das gerne mal so, daß sie etwas aufschneiden, wenn sie es verstehen wollen. Das paßt zu ihrem Reifegrad (2).

 

Wir haben aber auch noch andere, höhere (geistige) Ebenen zur Verfügung; solche, die über die Kapazitäten des Verstandes hinaus gehen:

 

Die (unbedingte) Liebe ist so eine, die Gegenwärtigkeit (Achtsamkeit) bietet eine solche, die Ehrfurcht und die Dankbarkeit... 

 

Wie der Alexander schon sagt: Wir nähern uns der Seele der Natur mit unserer Seele, nicht über den analytischen Verstand.

 

Einwand: Ich denke, mit beidem: der Betrachtung UND dem Verstand. Jedenfalls ist es das, was Humboldt meinte."

 

Mir erscheint es etwas gewagt zu sagen, wie jemand anderes etwas genau „meint“. Deshalb beziehe ich mich auf Texte gerne so, wie ich sie im Augenblick des Schreibens... selber „verstehe“.

 

Der Alexander hatte den Text seinerzeit dem Johann Wolfgang geschrieben? Der verstand ihn sicher sofort, hatte er selber doch auch einen fein gestimmten Sinn für Wahrnehmung.

 

Mit der sezierenden Methode, mit einer rein wissenschaftlichen Einstellung, solange wir uns der Natur nur via Verstand zu nähern versuchen, wird sie uns ewig fremd bleiben.

 

Solange wir nur die Kruste der Natur untersuchen wollen, reicht der analytische und einordnende Verstand aus, genügen Hacke, Stift, Tabelle, Labor, Algorithmus, Zollstock, Waage, Reagenzglas und Seziermesser.  

 

Wenn wir uns aber der Natur selbst, ihrer Seele, schon allein ihrer Schönheit nähern wollen, müssen wir die groben Werkzeuge beiseite legen und mit unserer Seele lauschen und... schauen.

 

Diese ehrfurchtsvolle Näherung – an was auch immer – wird uns mehr an (auch wissenschaftlicher) Erkenntnis bringen, als jede aggressive Methode.

 

Einwand: „Humboldt war ein besonderer Mensch.“

 

Mit dieser Formulierung wird vorausgesetzt, es gäbe auch „nicht besondere“ Menschen. Angenommen du hast eine Tochter mit nur durchschnittlichen Schulnoten: Ist sie also ein nicht besonderer Mensch?

 

Dieser Alexander war ein ganz normaler Mensch. Aber ein Wissenschaftler wie der Alexander, ein Daten-Sammler mit Herz und Seele, fällt auf. Menschen mit einer höheren Geistigen Reife fallen uns auf. Sie bringen etwas ins Schwingen. Sie erinnern uns an die eigenen höheren Ebenen.

 

„Ich denke...“

 

Wenn wir sagen: „Ich denke....“ bedenken wir meistens nicht, was wir damit sagen. Wir stellen nicht vorab die Frage: „Was eigentlich heißt hier... denken?“

 

Nicht selten ist das, was wir „denken“ nennen, ein Griff in die Mottenkiste: Alte Erinnerungsfetzen gepaart mit Werte-Skalen, die nicht einmal von uns selber stammen, sondern früh übernommen wurden.

 

Wahrnehmen können wir nur... in

Momenten der Gedankenlosigkeit.

 

Wer sich von der Schönheit eines Gänseblümchens berühren läßt, befindet sich in   d i e s e m   Moment in der gedankenleeren Zone. Kein Vergleich, keine Wertung.

 

Andernfalls befinden wir uns in der Mottenkiste, aber nicht im Feld der Möglichkeit von Wahrnehmung der Grazie.

 

Oft sind es nur sehr kurze Momente der Präsenz, bevor der grobe Verstand wieder einbricht... in die feine Sphäre der Wahrnehmung.

 

Wahrnehmung ist...

unmittelbares Sehen.

 

...unter Hintanstellung des wertenden Verstandes. Den sollten wir erst später wieder bemühen – beim Einkauf, zum Beispiel.

 

Der Verstand ist in der Lage, eine Bombe zu bauen, aber nicht fähig, den Liebreiz im Gesicht der kleinen Tochter des „Feindes“ zu sehen.

 

Das Denken ist nicht so

wichtig, wie wir denken.

 

Einwand: ...immer wieder auch das Staunen, dass der Antrieb jeder Forschung sein sollte."

 

Sollte. Weil Staunen und Ehrfurcht einerseits die (wissenschaftliche) Neugierde wecken, gleichzeitig auch menschengemachte Katastrophen vermeiden können.

 

Nur kann ich im Gros der Wissenschaft vorrangig nur Verstandes-Aktivität erkennen. Die nur wenigen Ausnahmen bestätigen meine Befürchtungen.

 

Staunen und Ehrfurcht gehören einer höheren Schwingung an, sie sind nicht Teil des Verstandes. Der hält sie für „unvernünftig“.

 

Der Verstand allein gelassen und von höheren Einsichten unkontrolliert, führt unweigerlich ins Verderben.

 

Beispiel: Es bedarf sehr viel an Verstandes-Kapazität, um eine Wasserstoffbombe bauen zu können. Dagegen braucht´s bloß ein kleines bißchen an Weisheit, um es bleiben zu lassen. Oder ein wenig Mitgefühl, oder etwas Ehrfurcht, oder etwas Einsicht, oder...

 

Der Verstand

ist beschränkt.

 

Nur mit der nötigen Intelligenz, bzw. Weisheit können wir ihn sinnvoll und verantwortungsvoll einsetzen.

 

Wenn es uns gelingt, die Grenzen des Verstandes erkennen zu können, heißt das doch nicht, daß uns seine Fähigkeiten abhanden kommen.

 

Mit den Mitteln des Verstandes können wir die Natur wiegen, messen, zählen und aufschneiden. Wir können ein paar Theorien konstruieren, sie aber niemals wirklich verstehen.

 

Selbst wenn dies prinzipiell möglich wäre, müßte unser vergleichsweise primitiv funktionierender Verstand größer sein als alles das, was er verstehen will, deswegen:

 

Vom Verstand können wir tiefes Verstehen so wenig erwarten, wie die Neukomposition einer Symphonie von einer Drehleier. 

 

Erkenntnisse gewinnen wir nicht mittels Verstand, 

sondern wir kommunizieren sie lediglich mit ihm.

 

 

 

 

Zitate des Alexander von Humboldt

 

 

Aber es ist nicht genug zu klagen, sondern man muß arbeiten, den Klagen abzuhelfen.

 

Aber wenn ich mich in das Notwendige fügen muß, so nehme ich mir das Angenehme heraus und gehe leicht über das Lästige hin-weg.

 

Alle Freuden an dem Wechsel der Naturerscheinungen haben das, daß sie zugleich moralische sind für das sie dankbar empfindende Herz.

 

Alles strebt von seinem Entstehen an zu neuen Verbindungen; und nur die scheidende Kunst des Menschen kann ungepaart darstellen, was ihr vergebens im Inneren der Erde und in dem beweglichen Wasser- oder Luftozeane sucht.

 

Alles Wahrnehmbare, das ein strenges Studium der Natur nach jeglicher Richtung bis zur jetzigen Zeit erforscht hat, bildet das Material, nach welchem die Darstellung zu entwerfen ist [...]. Ein beschreibendes Naturgemälde [...] soll aber nicht bloß dem Einzelnen nachspüren; es bedarf nicht zu seiner Vollständigkeit der Aufzählung aller Lebensgestalten, aller Naturdinge und Naturprocesse. Der Tendenz endloser Zersplitterung des Erkannten und Gesammelten widerstrebend, soll der ordnende Denker trachten, der Gefahr der empirischen Fülle zu entgehen.

 

Alles, was Gott gibt, muß noch ebenso durch den Menschen und sein eigenes Tun gehen, als wäre es einzig und allein sein Werk.

 

Alles wissenschaftliche Arbeiten ist nichts anderes als immer neuen Stoff in allgemeine Gesetze zu bringen.

 

Auch in der Wissenschaft ist eine der stärksten Triebkräfte der Neid.

 

Das ganze Leben ist der größte Unsinn. Und wenn man achtzig Jahre strebt und forscht, so muß man sich doch endlich gestehen, daß man nichts erstrebt und nichts erforscht hat. Wüßten wir wenigstens, warum wir auf dieser Welt sind. Aber alles ist und bleibt dem Denker rätselhaft, und das größte Glück ist noch das, als Flachkopf geboren zu sein. (Aus einem Gespräch, das Humboldt 1812 mit einem Freund in Paris geführt haben soll (Tagebuch der Gräfin v. B.)

 

Das nachdenkende, betrachtende, forschende Leben ist eigentlich das höchste.

 

Das Resultat der Erziehung hängt ganz und gar von der Kraft ab, mit der der Mensch sich auf Veranlassung oder durch Einfluß derselben selbst bearbeitet.

 

Der allgemeine Charakter der Natur ist Güte in der Größe.

 

Der Ernst, und selbst der größte des Lebens, ist etwas sehr Edles und Großes, aber er muß nicht störend in das Wirken im Leben eingreifen. Er bekommt sonst etwas Bitteres, das Leben selbst Verleidendes.

 

Der Kummer, der nach Hilfe und Trost verlangt, ist nicht der höchste und kommt nicht aus dem tiefsten des Herzens.

 

Der Mensch beurteilt die Dinge lange nicht so sehr nach dem, was sie wirklich sind, als nach der Art, wie er sie sich denkt und sie in seinen Ideengang einpaßt.

 

Der Mensch muß das Gute und Große wollen, das Übrige hängt vom Schicksal ab.

 

Die Deutschen brauchen für jede Dummheit zweihundert Jahre; hundert, um sie zu begehen, und hundert um sie einzusehen.

 

Die dogmatischen Ansichten der vorigen Jahrhunderte leben dann nur fort in den Vorurteilen des Volkes und in gewissen Disziplinen, die, in dem Bewußtsein ihrer Schwäche, sich gern in Dunkelheit hüllen.

 

Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.  (zugeschrieben)

 

Dieselbe Strecke Landes, welche als Wiese, d.h. als Viehfutter, zehn Menschen durch das Fleisch der darauf gemästeten Tiere aus zweiter Hand ernährt, vermag, mit Hirse, Erbsen, Linsen und Gerste bebaut, hundert Menschen zu erhalten und zu ernähren.

 

Die Scheidewand, die die gebildeten Stände vom Volke trennt, ist ohnehin schon zu groß, man muß daher mit doppelter Sorgfalt das hauptsächliche Band erhalten, das sie noch zusammenknöpft.

 

Die Vorsehung begünstigt gewiß nicht einzelne, sondern die tiefe Weisheit ihrer Ratschläge dehnt sich auf die Zurechtweisung und Veredlung aller aus.

 

Die Weltgeschichte ist ohne eine Weltregierung nicht verständlich.

 

Durch Trennung und Unterordnung der Erscheinungen, durch ahnungsvolles Eindringen in das Spiel dunkel waltender Mächte, durch eine Lebendigkeit des Ausdrucks, in dem die sinnliche Anschauung sich naturwahr spiegelt, können wir versuchen das All (τὸ πᾶν) zu umfassen und zu beschreiben, wie es die Würde des großartigen Wortes Kosmos, als Universum, als Weltordnung, als Schmuck des Geordneten, erheischt.

 

Eine Eigentümlichkeit des Chamäleons ist sein Vermögen, zur gleichen Zeit nach verschiedenen Richtungen sehen zu können, mit dem einen Auge gen Himmel, mit dem anderen zur Erde. Es gleicht darin manchem Kirchendiener, der dasselbe ebensogut kann.

 

Ein Mann muß sich selbst genug sein.

 

Erkenntnis der Wahrheit und Ausbildung der Pflicht sind die höchsten Gebote der Sittlichkeit.

 

Es ist die Eigentümlichkeit wichtiger Entdeckungen, daß sie zugleich den Kreis der Eroberungen und die Aussicht in das Gebiet, das noch zu erobern bleibt, erweitern. Schwache Geister glauben in jeder Epoche wohlgefällig, daß die Menschheit auf dem Kulminationspunkt intellektueller Fortschritte angelangt sei.

 

Es ist ein Großes, wenn der Mensch die Stimmung gewinnt, alles, was ihn betrifft, so aufzunehmen, wie es sich in der Bestimmung des Menschen, sich immer reifer und mannigfaltiger zu entwickeln, am besten vereint.

 

Grausamkeit gegen Tiere kann weder bei wahrer Bildung noch wahrer Gelehrsamkeit bestehen. Sie ist eines der kennzeichnenden Laster eines niederen und unedlen Volkes.

 

Ich begreife, daß man einer Stimmung dieser Art nicht immer Herr sein kann, aber man kann danach streben.

 

Im Raum wie in den Schöpfungen des Verstandes fangen die Traumbilder da an, wo die zuverlässigen Kenntnisse aufhören.

 

In der Vergangenheit ist reichlicher Stoff zur Freude und zur Wehmut, zur Zufriedenheit mit sich und zur Reue.

 

Jeder muß den Mut der Überzeugung haben.

 

Jeder muß den Mut zu seiner Meinung haben.

 

Jedes Naturgesetz, das sich dem Beobachter offenbart, läßt auf ein höheres, noch unerkanntes schließen.

 

Keine Religion predigt die Unmoral; aber sicher ist, daß von allen existierenden die christliche Religion diejenige ist, unter deren Maske die Menschen am unglücklichsten werden. – So steigert sich der Haß gegen eine Menschenklasse, die unter dem Anschein, den Indios Gutes zu tun, ihnen ihren Besitz gewaltsam wegnimmt und sie glauben macht, es sei eine Sünde, sich darüber zu beklagen.

 

Kein Schicksal vermag etwas über das Innere unserer Seele.

 

Man muß in der Natur ein höheres und über die Menschheit waltendes Wesen erkennen und fühlen. – Der Gedanke des Todes hat dann nichts, was abschrecken oder ungewöhnlich bekümmern könnte, man beschäftigt sich vielmehr gern mit ihm und sieht das Ausscheiden aus dem Leben, was ihm auch immer folgen möge, als eine natürliche Entwicklungsstufe in der Folge des Daseins an.

 

Möge dann die unermeßliche Verschiedenartigkeit der Elemente, die in ein Naturbild sich zusammendrängen, dem harmonischen Eindruck von Ruhe und Einheit nicht schaden, welcher der letzte Zweck einer jeden litterarischen oder rein künstlerischen Composition ist. 

 

Öffentlichkeit und Bewahrung der Individualität der Menschen, – es sind die Hauptstützen freier Verfassungen.

 

Oft liegt in der Verwicklung ernster Lebensverhältnisse der Keim eines befriedigenden Ersatzes.

 

Selbst die Wüste belebt sich, sobald man den Spuren der arbeitsamen Menschenhand begegnet.

 

... so lange man lebt, muß man das Leben erhalten, sich ihm nicht entfremden, sondern darein eingreifen, wie es die Kräfte und die Gelegenheit erlauben.

 

Überall geht ein frühes Ahnen dem späteren Wissen voraus.

 

Was der Mensch der Einseitigkeit abgewinnt, das verliert er an Kraft. Wer sich auf mehrere Gegenstände vorbereitet, wirkt schwächer als alle. So stehen Kraft und Bildung im umgekehrten Verhältnis.

 

Wem seine Lage es erlaubt, sich bisweilen aus den engen Schranken des bürgerlichen Lebens herauszuretten, errötend, daß er so lange fremd geblieben der Natur und stumpf über sie hinweggehe, der wird in der Abspiegelung des großen, freien Naturlebens einen der edelsten Genüsse finden, welche erhöhe Vernunfttätigkeit den Menschen gewähren kann.

 

Wenn man einem durchaus reinen und wahrhaft großen Charakter lange Zeit zur Seite steht, geht's wie ein Hauch von ihm auf uns über.

 

Wer Lob empfängt, tut immer wohl, es mehr als eine freiwillige Gabe anzusehen denn als einen verdienten Lohn.

 

Wie sich denn überhaupt alle geistige und körperliche Not wohl erleichtern, aber nie ganz heben läßt.

 

Wissen und Erkennen sind die Freude und die Berechtigung der Menschheit; sie sind Teile des Nationalreichtums; oft ein Ersatz für die Güter, welche die Natur in allzu kärglichem Maße ausgeteilt hat.

 

Wo ein Jäger lebt, können zehn Hirten leben, hundert Ackerbauer und tausend Gärtner.

  Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt