Meister Eckhart

 Eckhart von Hochheim

 

   

Magister ("Meister") Johannes Eckhart von Hochheim, 1260-1327, Abt mehrerer Klöster, Professor an der Sorbonne wurde noch kurz vor seinem Tod in einem Inquisitionsprozeß (Köln/Avignon) wegen "Gotteslästerung" angeklagt. In der Bulle "In agro dominico" verurteilte Papst Johannes XXII 28 Lehrsätze aus seinen Schriften. 

 

Ist es nicht aber (umgekehrt) erstaunlich, was der sich als Oberhirte verstehende Mann dem Eckhart hatte alles durchgehen lassen?

  

Denn unter der Lupe der "Rechtgläubigkeit" einer Glaubenskongregation ("Inquisition") ließen sich im Handumdrehen weit mehr als nur 28 "verwerfliche" Sätze finden.

 

  

 

 

Verurteilung

durch Papst Johannes XXII

 

― aus der Bulle  "In agro dominico" vom 27. März 1329 ―

 

 

"Johannes episcopus, servus servorum Dei ad perpetuam rei memoriam. In agro domini-co, cuius dispositione superna licet immeriti sumus custodes et operarii, oportet nos sic vigilanter et prudenter spiritualem exercere culturam, ut, si quando in eo inimicus homo supra semen veritatis zizania seminet, priusquam se in incrementa noxie pullulationis extollant, prefocentur in ortu, ut enecato semine viciorum et spinis errorum evulsis leta seges veritatis catholice coalescat. Sane dolenter referimus, quod quidam hiis temporibus de partibus Theutonie, Ekardus nomine, doctorque, ut fertur, sacre pagine ac professor ordinis fratrum Predicatorum, plura voluit sapere quam oportuit et non ad sobrietatem neque secundum mensuram fidei, quia a veritate auditum avertens ad fabulas se convertit. Per ilium enim patrem mendacii, qui se frequenter in lucis angelum transfigurat, ut obscuram et tetram caliginem sensuum pro lumine veritatis effundat, homo iste seductus contra lucidissimam veritatem fidei in agro ecclesie spinas et tribulos germinans ac nocivos carduos et venenosos palliuros producere satagens, dogmatizavit multa fidem veram in cordibus multorum obnubilantia, que docuit quammaxime coram vulgo simplici in suis predicationibus, que etiam redegit in scriptis. Ex inquisitione siquidem contra eum super hiis auctoritate venerabilis fratris nostri Henrici, Coloniensis archiepiscopi, prius facta, et tandem auctoritate nostra in Romana Curia renovata, comperimus, evidenter con stare per confessionem eiusdem Ekardi, quod ipse predicavit, dogmatizavit et scripsit viginti sex articulos, tenorem, qui sequitur, continentes:"

 

"Johannes, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, zum ewigen Gedächtnis. Auf dem Acker des Herrn, dessen Hüter und Arbeiter Wir nach himmlischer Verfügung, wenn auch unverdientermaßen, sind, müssen Wir die geistliche Pflege so wachsam und besonnen ausüben, daß, wenn irgendwann ein Feind auf ihm über den Samen der Wahrheit Unkräuter sät, sie im Entstehen erstickt werden, bevor sie zu Schößlingen verderblichen Keimens aufwachsen, damit, nachdem der Same der Laster abgetötet und die Dornen der Irrtümer herausgerissen sind, die Saat der katholischen Wahrheit fröhlich aufgehe.

Fürwahr, mit Schmerz tun Wir kund, daß in dieser Zeit einer aus deutschen Landen, Eckhart mit Namen, und, wie es heißt, Doktor und Professor der Heiligen Schrift, aus dem Orden der Predigerbrüder, mehr wissen wollte als nötig war, und nicht entsprechend der Besonnenheit und nach der Richtschnur des Glaubens, weil er sein Ohr von der Wahrheit abkehrte und sich Erdichtungen zuwandte. Verführt nämlich durch jenen Vater der Lüge, der sich oft in den Engel des Lichtes verwandelt, um das finstere und häßliche Dunkel der Sinne statt des Lichtes der Wahrheit zu verbreiten, hat dieser irregeleitete Mensch, gegen die helleuchtende Wahrheit des Glaubens auf dem Acker der Kirche Dornen und Unkraut hervorbringend und emsig beflissen, schädliche Disteln und giftige Dornsträucher zu erzeugen, zahlreiche Lehrsätze vorgetragen, die den wahren Glauben in vieler Herzen vernebeln, die er hauptsächlich vor dem einfachen Volke in seinen Predigten lehrte und die er auch in Schriften niedergelegt hat.

Aus der Untersuchung nämlich, die hierüber auf Grund der Amtsbefugnis Unseres ehrwürdigen Bruders, Erzbischof Heinrich von Köln bereits früher gegen ihn durchgeführt und schließlich auf Grund Unserer Amtsbefugnis in der römischen Kurie erneut vorgenommen wurde, haben Wir erfahren, daß durch das Bekenntnis jenes Eckhart zuverlässig feststeht, daß er sechsundzwanzig Artikel gepredigt, gelehrt und geschrieben hat, welche folgenden Wortlaut erhalten:

 

 

 

 

Die verurteilten 28 Text-Passagen des  

 

Meister Eckhart

 

   

 

Primus articulus - Interrogatus quandoque, quare Deus mundum non prius produxerit, respondit tunc, sicut nunc, quod Deus non potuit primo producere mundum, quia res potest agere , antequam sit unde quamcito Deus fuit, tamcito mundum creavit.

 

1. Einst befragt, warum Gott die Welt nicht früher erschaffen habe, gab er damals, wie auch jetzt noch, die Antwort, daß Gott nicht eher die Welt habe erschaffen können, weil nichts wirken kann, bevor es ist. Darum: sobald Gott war, sobald hat er auch die Welt erschaffen.

 

 

Secundus articulus - Item, concedi potest mundum fuisse ab eterno.

 

2. Desgleichen kann zugegeben werden, daß die Welt von Ewigkeit her gewesen ist.

 

  

Tertius articulus - Item, simul et semel, quando Deus fuit, quando filium sibi coeternum per omnia coequa-lem Deum genuit, etiam mundum creavit.

 

3. Desgleichen: Auf einmal und zugleich, als Gott war, da er seinen ihm gleich ewigen Sohn als ihm völlig gleichen Gott erzeugte, schuf er auch die Welt.

 

  

Quartus articulus - Item, in omni opere, etiam malo - malo inquam tam pene quam culpe - manifestatur et relucet equaliter gloria Dei.

 

4. Desgleichen:

 

In jedem Werk, auch im bösen, im Übel der Strafe

ebenso sehr wie im Übel der Schuld, offenbart sich

und erstrahlt gleichermaßen Gottes Herrlichkeit.

― Meister Eckhart

Aus kirchlicher Sicht... 

ist die Verurteilung dieses Parts zwingend.

 

Eckhart löst die Dualität (guter Gott - böser Teufel) auf: Alles, absolut alles bezeugt in gleichem Maße die Herrlichkeit Gottes. 

 

Ließe der Papst das durchgehen, fiele ein regelndes, ordnendes Element weg: Richtig/Falsch, Gut/Böse, Lob/Strafe. Das würde die Macht über die Ordnung unterminieren. Und ein (Ober-) Hirte versteht sich als ordnender Leiter und Lenker der Menschen.

 

  

Quintus articulus - Item, vituperans quempiam vituperio, ipso peccato vituperii laudat Deum, et quo plus vituperat et gravius peccat, amplius Deum laudat.

 

5. Desgleichen: Wer jemanden mit einer Schmähung lästert, lobt Gott durch eben diese Sünde der Schmähung; und je mehr er schmäht und je schwerer er sündigt, um so kräftiger lobt er Gott.

 

  

Sextus articulus - Item, Deum ipsum quis blasphemando Deum laudat.

 

6. Desgleichen: Wer Gott selbst lästert, lobt Gott.

 

  

Septimus articulus - Item, quod petens hoc aut hoc malum petit et male, quia negationem boni et negationem Dei petit, et orat Deum sibi negari.

 

07. Desgleichen: Wer um dies oder jenes bittet, der bittet um Übles und in übler Weise, weil er um die Verneinung des Guten und um die Verneinung Gottes bittet, und er betet darum, daß Gott sich ihm versage.

 

  

Octavus articulus - Qui non intendunt res nec honores nec utilitarem nec devotionem internam nec sanctita-tem nec premium nec regnum celorum, sed omnibus hiis renuntiaverunt, etiam quod suum est, in illis hominibus honoratur Deus.

 

8. Die nach nichts trachten, weder nach Ehren noch nach Nutzen noch nach innerer Hingabe noch nach Heiligkeit noch nach Belohnung noch nach dem Himmelreich, sondern auf dieses alles verzichtet haben, auch auf das, was das Ihrige ist, - in solchen Menschen wird Gott geehrt.

 

  

Nonus articulus - Ego nuper cogitavi, utrum ego vellem aliquid recipere a Deo vel desiderare. Ego volo de hoc valde bene deliberare, quia ubi ego essem accipiens a Deo, ibi essem ego sub eo vel infra eum, sicut unus famulus vel servus, et ipse sicut dominus in dando; et sic non debemus esse in eterna vita.

 

9. Ich habe neulich darüber nachgedacht, ob ich wohl von Gott etwas annehmen oder begehren wollte: Ich will mir das gar sehr überlegen, weil ich da, wo ich von Gott empfangen würde, unter ihm oder unterhalb seiner wäre wie ein Diener oder Knecht, er selbst aber im Geben wie ein Herr wäre, - und so soll es mit uns nicht stehen im ewigen Leben.

 

  

Decimus articulus - Nos transformamur totaliter in Deum et convertimur in eum; simili modo, sicut im sacramento panis convertitur in corpus Christi, sic ego convertur in eum, quod ipse operator me suum esse unum, non simile. Per viventem Deum verum est, quod ibi nulla est distinctio.

 

10. Wir werden völlig in Gott umgeformt und in ihn verwandelt; auf gleiche Weise, wie im Sakrament das Brot verwandelt wird in den Leib Christi: so werde ich in ihn verwandelt, daß er selbst mich hervorbringt als sein Sein als eines, nicht als gleiches; beim lebendigen Gott ist es wahr, daß da kein Unterschied besteht.

 

  

Undecimus articulus - Quicquid Deus pater dedit filio suo unigenito im humana natura, hoc totom dedit michi. Hic nichil excipio, nec unionem nec sanctitatem, sed totum dedit michi sicut sibi.

 

11. Alles, was Gott Vater seinem eingeborenen Sohne in der menschlichen Natur gegeben hat, das hat er alles auch mir gegeben: hiervon nehme ich nichts aus, weder die Einigung noch die Heiligkeit, sondern er hat mir alles ebenso gegeben wie ihm.

 

  

Duodecimus articulus - Quicquid dicit sacra scriptura de Christo, hoc etiam totum verificatur de omni bono et di-vino homime.

 

12. Alles, was die Heilige Schrift über Christus sagt, das bewahrheitet sich völlig an jedem guten und göttlichen Menschen.

 

  

Tertiusdecimus articulus - Quicquid proprium est divine nature, hoc totum proprium est homini iusto et divino. Propter hoc iste homo operatur, quicquid Deus operatur, et creavit una cum Deo celum et terram, et est generator verbi eterni, et Deus sine tali homine nesciret quicquam facere.

 

13. Alles, was der göttlichen Natur eigen ist, das alles ist auch dem gerechten und göttlichen Menschen eigen; darum wirkt solch ein Mensch auch alles, was Gott wirkt, und er hat zusammen mit Gott Himmel und Erde geschaffen, und er ist Zeuger des ewigen Wortes, und Gott wüßte ohne einen solchen Menschen nichts zu tun.

 

  

Quartusdecimus articulus - Bonus homo debet sic conformare voluntatem suam voluntati divine, quod ipse velit quicquid Deus vult. Quia Deus vult aliquo modo me pecasse, nollem ego quod ego peccata non commisissem, et hec est vera penitentia.

 

14. Der gute Mensch soll seinen Willen so dem göttlichen Willen angleichen, daß er selber alles will, was Gott will: Weil nun Gott in gewisser Weise will, daß ich gesündigt habe, so wollte ich nicht, daß ich keine Sünden begangen hätte, und das ist wahre Buße.

 

  

Quintusdecimus articulus - Si homo commisisset mille peccata mortalia, si talis homo esset recte dispositus, non deberet velle se ea non commisisse

 

15. Wenn ein Mensch tausend Todsünden begangen hätte, und es wäre ein solcher Mensch in rechter Verfassung, so dürfte er nicht wünschen, er hätte sie nicht begangen.

 

  

Sextusdecimus articulus - Deus proprie non precipit actum exteriorem.

 

16. Gott befiehlt nicht ausdrücklich das äußere Werk.

 

  

Decimusseptimus articulus - Actus exterior non est proprie bonus nec divinus, nec operatur ipsum Deus proprie nec parit.

 

17. Das äußere Werk ist nicht eigentlich gut und göttlich, und Gott wirkt und gebiert es nicht eigentlich.

 

  

Decimusoctavus articulus - Afferamus fructum actuum non exteriorum, qui nos bonos non faciunt, sed actuum interiorum, quos pater in nobis manens facit et operatur.

 

18. Laßt uns nicht die Frucht äußerer Werke bringen, die uns nicht gut machen, sondern innerer Werke, die der Vater, in uns bleibend, tut und wirkt.

 

  

Decimusnonus articulus - Deus animas amat, non opus extra.

 

19. Gott liebt die Seelen, nicht das äußere Werk.

 

  

Vicesimus articulus - Quod bonus homo est unigenitus filius Dei.

 

20. Der gute Mensch ist der eingeborene Sohn Gottes.

 

  

Vicesimusprimus articulus - Homo nobilis est ille unigenitus filius Dei, quem pater eternaliter genuit.

 

21. Der »edle Mensch« ist jener eingeborene Sohn Gottes, den der Vater von Ewigkeit her gezeugt hat.

 

  

Vicesimussecundus articulus - Pater generat me suum filium et eundem filium. Quicquid Deus operatur, hoc est unum; propter hoc generat ipse me suum filium sine omni distinctione.

 

22. Der Vater zeugt mich als seinen Sohn und als denselben Sohn. Was immer Gott wirkt, das ist Eines; darum zeugt er mich als seinen Sohn ohne allen Unterschied.

 

 

Vicesimustertius articulus - Deus est unus omnibus modis et secundum omnem rationem, ita ut in ipso non sit inve-nire aliquam multitudinem in intellectu vel extra intellectum; qui enim duo videt vel distinctionem videt, Deum non videt. Deus enim unus est extra numerum et supra nume-rum, nec ponit in unum cum aliquo. Sequitur: Nulla igitur distinctio in ipso Deo esse potest aut intelligi.

 

23. Gott ist auf alle Weisen und in jedem Betracht nur Einer, so daß in ihm selber keinerlei Vielheit zu finden ist, weder in der Vernunft noch außerhalb der Vernunft; wer nämlich Zweiheit oder Unterschiedenheit sieht, der sieht Gott nicht, denn Gott ist Einer außerhalb aller Zahl und über aller Zahl und fällt mit nichts in Eins zusammen. Daraus folgt: In Gott selbst kann demnach keinerlei Unterschied sein oder erkannt werden.

 

  

Vicesimusquartus articulus - Omnis distinctio est a Deo aliena, neque in natura neque in personis. Probatur: quia natura ipsa est una et hoc unum, et quelibet persona est una et id ipsum unum quod natura.

 

24. Jede Unterschiedenheit ist Gott fremd, sowohl in der Natur wie in den Personen. Beweis: Seine Natur selbst ist Eine und eben dieses selbe Eine, und jede Person ist Eine und eben dieses selbe Eine, das die Natur ist.

 

 

Vicesimusquintus articulus - Cum dicitur: "Symon, diligis me plus hiis?", sensus est, id est, plus quam istos, et bene quidem, sed non perfecte. In primo enim et secundo et plus et minus et gradus est et ordo, in uno autem nec gradus est nec ordo. Qui igitur diligit Deum plus quam proximum, bene quidem, sed nondum perfecte.

 

25. "Wenn es heißt: »Simon, liebst du mich mehr als diese?«, so ist der Sinn dieser: »will sagen, mehr als dieses, und zwar auf gute, nicht aber auf vollkommene Weise.« Wo nämlich ein »Erstes« und ein »Zweites« ist, da ist ein »Mehr« oder »Weniger«, ist Gradunterschied und Rangordnung; im Einen aber gibt es weder Grad noch Rang. Wer demnach Gott mehr liebt als den Nächsten, liebt ihn zwar auf gute, nicht aber auf vollkommene Weise.  

 

 

Vicesimussextus articulus - Omnes creature sunt unum purum nichil. Non dico, quod sint quid modicum vel aliquid, sed quod sint unum purum nichil.

 

26. Alle Kreaturen sind ein reines Nichts: ich sage nicht, daß sie etwas Geringes oder (überhaupt) irgend etwas sind, sondern daß sie ein reines Nichts sind.

 

  

Objectum preterea extitit dicto Ekardo, quod predicaverat alios duos articulos sub hiis verbis:

 

Außerdem wurde besagtem Eckhart vorgehalten, daß er noch zwei andere Artikel mit folgenden Worten gepredigt hatte:

 

  

Primus articulus - Aliquid est in anima, quod est increatum et increabile; si tota anima esset talis, esset increata et increabilis; et hoc est intellectus.

 

27. Es ist etwas in der Seele, das unerschaffen und unerschaffbar ist; wenn die ganze Seele solcherart wäre, so wäre sie unerschaffen und unerschaffbar, - und dies ist die Vernunft.

 

  

Secundus articulus - Quod Deus non est bonus neque melior neque optimus; ita male dico, quandocunque voco Deum bonum, ac si ego album vocarem nigrum.

 

28. Gott ist weder gut noch besser noch vollkommen; wenn ich Gott gut nenne, so sage ich etwas ebenso Verkehrtes, als wenn ich das Weiße schwarz nennen würde.

― Meister Eckhart

 

 

 

"Verum nos omnes suprascriptos articulos per multos sacre theologie doctores examinari fecimus, et nos ipsi cum fratribus nostris illos examinavimus diligenter. Et demum, quia tam per relationem doctorum ipsorum quam per examinationem nostram invenimus primos quindecim memoratos articulos et duos etiam alios ultimos tam ex suorum sono verborum quam ex suarum connexione sententiarum errorem seu labem heresis continere, alios vero undecim, quorum primus incipit: "Deus non precipit", et cetera, reperimus nimis male sonare et multum esse temerarios de heresique suspectos, licet cum multis expositionibus et suppletionibus sensum catholicum formare valeant vel habere: ne articuli huiusmodi seu contenta in eis corda simplicium, apud quos predicati fuerunt, ultra inficere valeant, neve apud illos vel alios quomodolibet invalescant. Nos de dictorum fratrum nostrorum consilio prefatos quindecim primos articulos et duos alios ultimos tanquam hereticos, dictos vero alios undecim tanquam male sonantes, temerarios et suspectos de heresi, ac nichilominus libros quoslibet seu opuscula eiusdem Ekardi, prefatos articulos seu eorum aliquem continentes, dampnamus et reprobamus expresse." 

(...) Porro, tam illis, apud quos prefati articuli predicati seu dogmatizati fuerunt, quam quibuslibet aliis ad quorum devenere notitiam, volumus notum esse, quod, prout constat per publicum instrumentum inde confectum, prefatus Ekardus in fine vite sue fidem catholicam profitens predictos viginti sex articulos, quos se predicasse confessus extitit, necnon quecunque alia per eum scripta et docta, sive in scolis sive in predicationibus, que possent generare in mentibus fidelium sensum hereticum vel erroneum ac vere fidei inimicum, quantum ad illum sensum revocavit ac etiam reprobavit et haberi voluit pro simpliciter et totaliter revocatis, ac si illos et illa singillatim et singulariter revocasset, determinationi apostolice sedis et nostre tam se quam scripta sua et dicta omnia summittendo. Datum Avinione, VI. kal. aprilis, pontificatus nostri anno tertiodecimo."

 

"Wir haben nun alle oben angeführten Artikel durch viele Doktoren der heiligen Theologie prüfen lassen und haben sie auch selbst mit Unseren Brüdern sorgfältig geprüft. Und schließlich haben Wir sowohl auf Grund des Berichtes jener selben Doktoren, wie auf Grund Unserer eigenen Prüfung gefunden, daß die ersten fünfzehn der erwähnten Artikel und auch die beiden letzten sowohl ihrem Wortlaut nach wie nach dem Zusammenhang ihrer Gedanken Irrtum oder das Mal der Häresie enthalten; die elf anderen aber, deren erster beginnt mit: »Gott befiehlt nicht usw.«, haben Wir als überaus übel klingend und sehr kühn und der Häresie verdächtig gefunden, wenn auch zugestanden werden mag, daß sie mit vielen Erklärungen und Ergänzungen einen katholischen Sinn ergeben und haben können.  Damit nun derartige Artikel oder ihr Inhalt die Herzen der Einfältigen, denen sie gepredigt worden sind, nicht weiter anstecken und bei ihnen oder anderen nicht irgendwie in Schwang kommen können, verdammen und verwerfen Wir ausdrücklich auf den Rat Unserer genannten Brüder die ersten fünfzehn angeführten Artikel sowie die beiden letzten als häretisch, die anderen elf angeführten aber als übelklingend, verwegen und der Häresie verdächtig, und ebenso alle Bücher und Schriften dieses Eckhart, welche die angeführten Artikel oder einen von ihnen enthalten.  (...)

Ferner aber wollen Wir denjenigen, bei denen die angeführten Artikel gepredigt oder gelehrt worden sind, sowie auch allen anderen, zu deren Kenntnis sie gekommen sind, kundtun, daß, wie durch eine öffentliche, darüber ausgefertigte Urkunde feststeht, der genannte Eckhart am Ende seines Lebens, den katholischen Glauben bekennend, die angeführten sechsundzwanzig Artikel, die gepredigt zu haben er bekannte, ferner auch alles andere von ihm Geschriebene und in den Schulen wie in Predigten Gelehrte, das in den Gemütern der Gläubigen einen häretischen oder irrtümlichen und dem wahren Glauben feindlichen Sinn erzeugen könnte, soweit es diesen Sinn betrifft, widerrufen wie auch verworfen hat und es als so schlechthin und völlig widerrufen angesehen wissen wollte, als wenn er jene (Artikel) und jenes (andere) einzeln und besonders widerrufen hätte, indem er sich und alle seine Schriften und Aussprüche der Entscheidung des apostolischen Stuhles und der Unsern unterworfen hat."

 

"Gegeben zu Avignon, am 27. März 1329, im dreizehnten Jahre Unseres Pontifikates. Johannes XXII. vom 27. März 1329"